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Sonntag, 19. April 1998

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NZZ Monatsarchiv

Neue Zürcher Zeitung LUFTFAHRT Donnerstag, 02.04.1998 Nr. 77  71

Der neue Zeppelin lässt auf sich warten

Unterschätzter Entwicklungsaufwand - Know-how-Engpass?

Von Artur P. Schmidt*

    Zeppeline sind wieder im Gespräch. Sie könnten zu einem interessanten Vehikel im Wachstumsmarkt des Erlebnistourismus werden, wie Luftfahrtexperten, Reisefachleute und PR-Manager konstatieren. Seit mittlerweile fast zehn Jahren wird auch in Friedrichshafen am Erbe des Grafen Zeppelin gearbeitet. Bisher sind rund 50 Millionen D-Mark investiert worden, wobei sich jedoch das notwendige Gesamtbudget bis zur Erzielung der Serienreife auf mindestens 80 bis 100 Millionen D-Mark belaufen dürfte. Die Entwicklungsarbeiten am Bodensee kommen seit einiger Zeit äusserst schleppend voran.

    Mangel an - hauseigenen - Erfolgsmeldungen über das Friedrichshafener Zeppelinprojekt herrscht nicht. Wie in den Presseinformationen der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH zu lesen ist, sollen monatlich zwei bis drei seriöse Anfragen für das Luftschiff eingehen. Der erste Zeppelin soll ab Ende 1998 von der neu gegründeten Schweizer Firma Skyship Cruise Ltd. betrieben werden. Laut Dietmar Blasius, der bei der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH für Presseanfragen zuständig ist, sind bisher indessen nur fünf Vorverträge abgeschlossen worden. Angesichts der schleppend vorankommenden Entwicklung in Friedrichshafen gibt es zunehmend Fragezeichen zum Projekt: Macht ein derart kleines Luftschiff wie der LZ N07 für die Personenbeförderung überhaupt Sinn? Werden die anvisierten Liefertermine für die Kunden einzuhalten sein?

Verdoppelung der Entwicklungszeit?

    Der angekündigte Erstflug des Zeppelin NT musste letztes Jahr immer wieder verschoben werden, bis er am 18. September 1997 endlich stattfand. Bei den Testfahrten im Spätherbst soll es auf Grund der Elektrik («Fly by Wire»-System) zu Problemen bei der Flugsteuerung gekommen sein, worauf die Tests über mehrere Wochen - trotz bestem Wetter im Januar - bis Anfang Februar 1998 ausgesetzt wurden. Eine vom 25. März 1998 datierende Presseinformation der Zeppelinbauer, wonach der LZ N07 100 Stunden in der Luft und am Boden getestet wurde, lässt völlig offen, wie viele Flugstunden bisher absolviert wurden. Blasius räumte auf eine diesbezügliche Rückfrage ein, dass er die Zahl der tatsächlichen Flugstunden nicht angeben könne, dass jedoch ein Termin für die Zulassung nicht vor August 1999 zu erwarten sei. Da der LZ N07 bisher nur etwa 5 Prozent der für die Zulassung notwendigen 600 Flugstunden absolviert haben dürfte, stellt sich deshalb die Frage, ob eine Zulassung überhaupt vor dem Jahr 2000 erfolgen kann. Bereits heute ist die für ein solches Projekt übliche Entwicklungszeit von vier Jahren deutlich überschritten. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich die mögliche Entwicklungszeit deshalb nahezu verdoppeln wird, weil von Anfang an zuwenig Kapital für dieses Innovationsprojekt zur Verfügung stand. Kostengründe und ungenügender «Einkauf» von Branchen-Know-how aus der Industrie hatten zur Folge, dass sich während der langen Studien- und Entwicklungszeit von insgesamt 8 Jahren die Konkurrenz bereits am Markt etabliert hat. Während für den Zeppelin NT eine Zulassung momentan noch nicht abzusehen ist, besitzt eines der Konkurrenzluftschiffe, der American Blimp A-150, bereits die Zulassung der amerikanischen Luftfahrtbehörde (FAA).

    Es sieht danach aus, dass einige technische Problemstellungen des Zeppelin NT nicht fundiert genug zu Ende gedacht wurden. So liegt offenbar bis heute kein umfassendes Konzept für den Product Support, die Logistik und die Maintenance vor. Ein weiteres Problem der jungen und unerfahrenen Entwicklungsmannschaft in Friedrichshafen ist, dass diese die Gewichtsbilanz des Luftschiffs, die für Luftfahrzeuge nun einmal elementar ist, nur unzureichend kalkuliert hat. Dies zeigt die notwendig gewordene Volumenvergrösserung (und damit Rumpfverlängerung) um 1000 m3 auf nunmehr 8250 m3. Diese 1000 m3 entsprechen etwa dem Gewicht von sechs Passagieren, was bedeutet, dass ohne die Volumenvergrösserung nur die Hälfte der Passagiere hätte befördert werden können. Die von den Zeppelinbauern angeführte Begründung dieser Volumenvergrösserung - Einbau einer Bordtoilette und Vergrösserung der Nutzlast - ist für Experten nicht ausreichend.

    Bereits in einem Schreiben vom 2. April 1993 der WDL-Luftschiff-Gesellschaft - der Firma in Mülheim/Ruhr, welche die deutschen Blimps gebaut hat - von Richard Gründer an den Unternehmensberater und Initiator des Fördervereins Zeppelintourismus e. V. Franz Neubauer, welches dieser an das Management der Luftschifftechnik GmbH weiterleitete, wurde auf technische Schwierigkeiten bei der Realisierung des Projektes hingewiesen. So heisst es dort wörtlich: «Auf keinen Fall wird aber ausreichend Nutzlast für eine kommerzielle Nutzung zur Verfügung stehen.» Die Volumenerhöhung bis zum Erstflug 1997 belegt diese Aussage nachdrücklich. Man muss sich deshalb ernsthaft die Frage stellen, ob die geplante Anzahl von 12 Passagieren im operativen Flugbetrieb gehalten werden kann, insbesondere da die Gipfelhöhe mit 2000 m angegeben wird und ein Ausweichen in grössere Flughöhen bei maximaler Zuladung nicht möglich ist. Inwieweit auch extreme Wettersituationen bei der Landung berücksichtigt wurden, wird die weitere Erprobung zeigen. Der Leiter des Friedrichshafener Flughafens, Hans Weiss, bestätigte auf Anfrage, dass bisher beim Andock-Vorgang an den Mast mindestens etwa sechs Personen benötigt werden, d. h. die doppelte Anzahl wie für den operativen Betrieb bei den Kunden eigentlich vorgesehen.

Planungsmängel

    In Luftfahrtkreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass keiner der Geschäftsführer der Luftschifftechnik GmbH über ausreichend Luftfahrt- bzw. Luftschiff-Background für die Führung eines derartigen Unternehmens verfügt. Angesichts der langen Entwicklungszeit ist die vom Geschäftsführer Max Mugler im «Südkurrier» im April 1997 in Aussicht gestellte Realisierung «rosaroter bis schwarzer Zahlen für das Jahr 1999» ganz offensichtlich reines Wunschdenken. Auch der geplante grosse Auftritt des neuen Luftschiffes an der Expo 2001 erscheint heute nicht mehr realistisch. Überhaupt muss die Frage gestellt werden, warum ein Unternehmen mit zirka 35 Mitarbeitern drei Geschäftsführer benötigt. Handelt es sich bei zweien dieser Positionen um prestigeträchtige Altersruhesitze? Es gibt Anzeichen dafür, dass personelle Fehlbesetzungen an der Spitze der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH das Erbe des Grafen Zeppelin gefährden. Besonders hervorzuheben ist das Versagen der Aufsicht durch die Zeppelin-Stiftung. Auf Grund der Verfilzung von parteipolitischen Interessen und der fehlenden technischen Kompetenz in diesem Organ scheint eine wirksame Kontrolle des Managements nicht möglich.

Zu teuer?

    Es hätte sich aufgedrängt, dass sich die Stiftung einen kompetenten technischen Beirat zur Seite gestellt hätte. Eine effiziente Unternehmensaufsicht müsste dafür sorgen, dass die Exekutivorgane der Luftschifftechnik GmbH eine zielgerichtete strategische Planung durchführen (z. B. die Forcierung eines grösseren Luftschiffes), dass bessere personelle Rahmenbedingungen (z. B. durch vermehrte Integration von Luftfahrtexperten ins Management) geschaffen werden und dass die Aufmerksamkeit auf die richtigen Aktivitäten (z. B. durch Verbesserung des Verkaufs und des Marketings) gerichtet wird.

    Da die Vorteile des NT-Projektes nur bei einer Baureihe mit grösseren Luftschiffen (z. B. 30- bis 50sitzer) zum Tragen kommen, sollte der LZ N07 primär, wie zu Entwicklungsbeginn vorgesehen, als Demonstrationsmodell betrachtet werden. Franz Neubauer, der im Jahr 1993 eine Marketing-Studie für die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH durchführte, hatte damals nachdrücklich hervorgehoben, dass das Projekt nur dann ein Erfolg werden könnte, wenn eine Verkürzung des Entwicklungszeitraums angestrebt wird und gleichzeitig grössere Typen entwickelt werden. Mit einem halb so grossen Volumen von 4200 m3 bis 4800 m3 und einer Zuladung von 9 Passagieren sowie einem etwa um 50 Prozent günstigeren Anschaffungspreis haben die American Blimps A-150/A-170 deutliche Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Friedrichshafener Luftschiffprojekt. Das amerikanische Beispiel zeigt auch, dass effizient operierende Firmen in der Lage sind, kurze Entwicklungszeiten und günstigere Kostenstrukturen zu realisieren.

    Man muss heute feststellen, dass der Zeppelin LZ N07 im Vergleich zu Konkurrenzprodukten mit einem anvisierten Verkaufspreis von 12,5 Millionen D-Mark deutlich zu teuer ist. Die Gewichtszunahme um eine Tonne, die ständige Verschiebung des Erstfluges sowie die nur schleppend vorankommende Flugerprobung belegen, dass es um die strategische, planerische und technische Kompetenz in Friedrichshafen nicht zum besten stehen kann. Offenbar wurde kein Plan erstellt, der über die Konzept- und Entwicklungsphase hinausgeht und eine potentielle Serienfertigung sowie die Erschliessung des Marktes umfasst. Um das Ziel einer deutlichen Nutzlasterhöhung zu erreichen, muss darüber nachgedacht werden, wie gegebenenfalls auch unter Einbeziehung von privaten Investoren (z. B. durch die Gründung einer Aktiengesellschaft) weiteres Risikokapital besorgt werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass eine vielversprechende Idee nicht an Planungs- und Führungsdefiziten scheitert und dass die Verantwortlichen von den Managern mehr Rechenschaft über deren Aktionen einfordern. Nur so kann ein Zeppelin neuer Technologie realisiert und das Erbe des Grafen zu neuem Leben erweckt werden.

    * Der Autor ist Ingenieur der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart.

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